Was werden wird

Eine Stückentwicklung auf den Spuren der eigenen und überhauptigen Zukunft

Theater
Wir suchen auf den Spuren der undefinierten Zukunft, der Unsicherheit und allem, was da auf uns wartet...oder muss dieses alles gefunden werden? Wir Improvisieren, tanzen und diskutieren. Was wir schlussendlich präsentieren ist eine Collage, Schnipsel unseres Prozesses. Hier ein kleiner Auszug aus den abschliessenden Gedanken: Als ich mich vor einem Jahr für ein Maturarbeitsthema entscheiden musste, ging es mir wie vielen anderen auch: Ich hatte einige Ideen, getraute mich aber irgendwie, mich festzulegen. Die Ehrfurcht vor dieser einen Arbeit war riesig. Ich beobachtete bei vielen eine total lustlose Grundstimmung, keiner wusste so recht, wo er beginnen sollte. Das stimmte mich nachdenklich. Ich fand es bedauernswert, dass es für uns Schüler*innen eine solche Last darstelle, sich für etwas zu entscheiden. Eigentlich sollte das doch endlich ein kleines Stück Freiheit sein, die Möglichkeit, selbst etwas zu erarbeiten, was einem interessiert! Doch diese Freiheit. selbst zu entscheiden war ich mir einfach nicht gewohnt. Ich stellte mir die Frage, woher diese Unfreiheit denn kommt. Oder besser gesagt: Woher die Unfähigkeit kommt, mit der Freiheit umzugehen. Eine der Gedankenansätze war, ob es an der Art und Weise liegt, wie unser Bildungssystem uns vorbereitet. Wird uns wichtiges Werkzeug fürs Leben nicht mitgegeben? Denn nach der Schule müssen wir ja in ganz anderem Masse selbstständig handeln, entscheiden, anpacken. Ich entdeckte in der Art, wie ich und viele andere die Maturarbeit angingen und der Art wie wir über unsere Zukunft nachdachten, viele Parallelen. Beide Vorgänge sind oft geprägt von derselben Kopflastigkeit, derselben Angst vor dem Anfangen. Das ist das diffuse Gefühl, dass man eigentlich gar nicht so genau weiss, as man will und der Versuch, das Problem mit blossem Denken zu lösen. Ich wollte genau diese Thematik, diese Unsicherheit und Überforderung erforschen und abbilden. Gleichzeitig wolle ich versuchen, diese Hemmungen und Kopfblockaden abzubauen, die ich selbst ja auch empfand. Ich wollte mich im Arbeitsprozess darin üben, anzupacken. Und dann beschloss ich, einfach zu versuchen, wie es denn ist, wenn man macht. Ohne dass man genau weiss, worauf man sich einlässt, ohne Vorwissen und ohne Gewissheit, ob es schlussendlich so funktionieren wird, wie man sich das dachte. Was von den Gedanken, die ich mir machte, schlussendlich auf der Bühne sichtbar und lesbar war, kann man nie endgültig beantworten. Jeder hat einen anderen Blick auf eine Inszenierung. Dennoch ist es immer spannend, anhand von Rückmeldungen einen ganz neuen Blick auf das Präsentierte zu erhalten. Deshalb habe ich mich mit Marc-André Kaspar meinen ehemaligen Französischlehrer, der auch Philosophie unterrichtet, zum Gespräch getroffen. Dieser meinte, wir hätten das Chaos geordnet und präzise einzufangen gewusst. Ich hatte besonders bei Bewegungen gemerkt, dass ein wirklich unkontrollierter Körper die Unkontrolliertheit weniger gut darzustellen vermag als ein kontrollierter, der den Fokus auf gewisse unkontrollierte Gesten lenkt. Auf jeden Fall ist es dann eben die verdichtete Variante. Ich versuchte das Gefühl der Orientierungslosigkeit, das Gefühl einer Generation in einer collageartigen Aufführung zu konzentrieren. Mein Vater fand im Gespräch, weniger wäre mehr gewesen. Ich hatte im Prozess stets das Gefühl gehabt, ich müsse füllen, mehr Zug in die ganze Sache bringen. Ich vergass dabei, dass es verschiedene Arten gibt, die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu kriegen. Einerseits kann man viel bieten, viel machen,. Das haben wir meistens angestrebt. Andererseits kann man den Zuschauer selbst aktiv werden lassen, indem man viel Platz lässt für eigene Gedanken. Dies umzusetzen getraute ich mich nur am Anfang. Die Rückmeldung zu diesem stillen, nicht klar definierbaren Anfang fielen jedoch sehr positiv aus. Ein Freund von mit meinte, der Anfang habe schon fast etwas pädagogisches gehabt. In dieser Stille hätte jeder Zeit gehabt, anzukommen und sich auf das Stück einzulassen. Wenn nur wenige Sinne angesprochen werden, diese dafür umso mehr geschärft sind, ist das Seherlebnis ein ganz anderes. Mir schwebten Monologe im Dunkeln vor, Geräuschkulissen, die sich nur minim von der Stille unterscheiden. Doch schlussendlich griff ich unter grossem Zeitdruck auf Mittel zurück. die mir bereits bekannt waren. Dies geschah ganz intuitiv. Der Prozess war eigentlich noch lange nicht zu Ende. allein das Materialsammeln hätte so lange andauern können, wie schlussendlich der gesamte Prozess dauerte. Wir kamen auch nie dazu, und die Frage zu stellen, warum denn unsere Generation ist, wie sie ist. Im Nachhinein erscheint mir das auch logisch: einen Gefühlszustand kann man leichter in Bewegung und Text fassen, als ihn einfach beschreiben. Sich zu fragen, weshalb es denn so ist, wie es ist und Antworten zu suchen, öffnet ein hochkomplexes Themenfeld, das weniger direkt mit uns zu tun hat. Man kann unsere Situation philosophisch, soziologisch, psychologisch, historisch oder politisch betrachten. Viele Texte gingen aus den in der Gruppe geführten Diskussionen hervor. Je einfacher die Thematik, desto klarer und übersichtlicher waren logischerweise auch die Gespräche. Es gab vieles, was ich gerne noch weiter vertieft hätte. Grundsätzlich bin ich aber froh, dass wir es gemeinsam schafften, etwas auf die Bühne zu bringen, mit dem wir uns identifizieren konnten. Wenn ich meine Gedanken durchlese, die ich mir vor fast einem Jahr notierte, so merke ich, dass ich heute an einem anderen Punkt stehe als damals. Ich habe viel dazugelernt, diskutiert, ausprobiert, erlebt und gewisse Themen von ganz verschiedenen Seiten her angedacht. Weil ich versuchte, sie szenisch umzusetzen, habe ich gewisse Dinge auch nochmals auf einer ganz anderen Ebene begriffen.
Projektdauer
01.09.2014 - 09.11.2014
Unterstützt mit
CHF 350